Mateusz versuchte sich in seiner neuen alten Stadt zurechtzufinden, doch das war nicht leicht. Der Umgang mit anderen kostete ihn immer mehr Kraft. Eigentlich brauchten bloß zwei andere Menschen in seiner Nähe zu sein, schon fühlte er sich bedroht. Die Nervosität ließ seine Bewegungen eckig werden, sperrte sie in den brutal begrenzten Raum seines angespannten Körpers. Und er zerrte an seinen Fingern und biss sich auf die Lippen. Wusste nicht, ob er lächeln oder ernst bleiben sollte. Es fiel ihm schwer, die Stimmung eines Gesprächs einzuschätzen. Immer wenn er sich einbringen wollte, schien es ihm, als habe er im unpassendsten Moment das Wort ergriffen, und er brach verlegen mitten im Satz wieder ab. Warteten seine Gesprächspartner dann, dass er seinen Gedanken zu Ende brachte, lächelte Mateusz nur entschuldigend und gab mit einem Schulterzucken zu erkennen, es sei nichts, nur eine unbedachte Äußerung. Die anderen kehrten rasch zu ihrem Gespräch zurück, ohne ihn. Eigentlich eine absehbare Reaktion, doch sie verstärkte noch sein Gefühl, versagt zu haben. Scham stieg in ihm auf. Seine Haut fühlte sich glitschig an, Gestank schien von ihr auszugehen. Er musste weg. So weit weg wie möglich von allen Menschen. Doch vor Scham klebten seine Füße wie einzementiert am Boden. Er schwitzte, seine Haut juckte, die Kleider brannten ihm am Körper. In seinem Kopf blähte sich ein Ballon voller chaotisch schwirrender Stimmen …

Er nahm die Westallee. Zu deutschen Zeiten waren hier Straßenbahnen gefahren, jetzt gab es nicht einmal mehr die Schienen. Alle von den Russen abmontiert und weggeschafft. Die Polen lachten bitter, bestimmt hätten die Russkis sie nur zur Reparatur mitgenommen und dann vergessen zurückzubringen. In den zweistöckigen Altbauten an der Westallee lagen früher die teuersten Läden von ganz Kostyń. Ihre Schaufenster beschirmten bunt gestreifte Markisen. Ein Geschäft mit Schallplatten und Tabakwaren aus aller Welt. Ein Uhrmacher, ein Juwelier, eine Buchhandlung. Emil Wagners weithin bekanntes Optikerfachgeschäft, Ernst Steinbachs Papierwarenhandlung, die Füllhalter mit goldener Feder führte. Ein Portier in Livree stand am Eingang zum kleinen, aber feinen Hotel Fischer. Es duftete aus vornehmen Cafés und den besten Bäckereien. Ehrbare Hausfrauen fragten auf Deutsch nach Waren höchster Güte, stopften ihrer lärmenden Kinderschar mit frischen Brötchen die Mäuler. Heute stieg statt Brötchenduft Benzingestank in die Nase, und die einstigen Lädchen ersetzten ein Delikatesy-Supermarkt mit ruppiger Bedienung, die Filiale einer Bank, deren Namen Mateusz sich nicht merken konnte, und der größte Secondhandladen der ganzen Stadt. Anstelle der schmucken Altbauten reihten sich klotzige Wohnblocks. In einem unbeholfenen Versuch der Nachahmung hatte man Stuckgesimse aus bemaltem Styropor daran angebracht.

Zur einen Seite hin endete die Westallee in der Szewska, der Schusterstraße, deren Namen die Polen aus unerfindlichen Gründen in „Filmowa“ geändert hatten. Das andere Straßenende ging auf den Ringplatz, auf dem früher ein Denkmal Blüchers gestanden hatte, des preußischen Helden aus napoleonischen Zeiten. Heute plätscherte an seiner Stelle ein steinerner Springbrunnen, oval wie ein Ei. Daneben war ein Biergarten aufgebaut. Für Mateusz zu eng und zu lärmig – deswegen überquerte er rasch den Platz und bog in die Südallee ein. Ganz am Anfang stand Irenas und Dareks alte Mietskaserne. Im Schatten der Wände huschte Mateusz an den Vorkriegsbauten vorbei; jeden Moment, das spürte er, würden sie einstürzen und ihn unter ihren Trümmern begraben. Er mochte die Südallee nicht, vielleicht, weil sie ihn an die Straße erinnerte, in der er mit seiner Mutter gewohnt hatte. Die klobigen grauen Kästen ließen das Sonnenlicht nicht bis unten durch. Aus den Kellern wehte es kalt nach Schimmel und Katzenkot. Hundertjährige Kopfsteine statt Asphalt. Efeu an den Wänden. Die Ältesten glaubten, dass sich zur Abenddämmerung hier, in diesen Straßen, die feuchten Schatten zu den Gestalten längst verstorbener Einwohner verdichteten.

Am Ende der Südallee lag der Park der Alten Bäume. Dort war Radka überfallen worden. Auf den Park folgte die Hochhaussiedlung, in der Radkas Mutter wohnte, und dahinter stand, einsam auf weiter Flur, eine Psychoklinik.

Mateusz wollte nicht zum Park, er wollte zum Meer. Jetzt musste er sehen, wie er nach Norden kam. Hätte er einfach den Ringplatz überquert, wäre er auf der Ostallee herausgekommen, um von dort links abzubiegen und am Fluss entlang zum Strand zu laufen. Am Friedhof mit dem Teich vorbei, in dem fette Karauschen schwammen. Kosteten Menschen von diesem Fisch, tauchten sie für immer in die Welt der Wasserwesen ein … Doch er hatte sich für die Südallee entschieden, nun musste er andere Wege finden. Umzukehren und noch einmal über den Ringplatz zu gehen, und von da aus über die Nordallee zur Promenade, wagte er nicht. Zu viele Menschen.

Es war ihm, als taste er sich durch die Eingeweide einer riesigen Schlange. Alles um ihn offenbarte seine grauenerregende Bedeutung. Grauenerregend, weil sie genau seiner Stimmung entsprach und sie gleichzeitig steuerte. Der große dürre Typ, der ihm eben entgegenkam, kniff fast unmerklich ein Auge zu, so voller Verachtung, dass Mateusz spürte, wie die Schuld für alle Niedertracht dieser Welt auf ihm lastete. Das schwarze T-Shirt eines lachenden Jungen sog ihn in ein formloses Dunkel, in dem sich der Verstand verirrte. Eine hübsche Frau in kurzem Rock wollte offenbar mit ihm kokettieren. Sie wiegte die Hüften und leckte sich zugleich aufreizend über ihre blutroten Lippen. In Tränen aufgelöst schrie ein Kind in seinem Wagen. Mateusz wusste, es war wegen ihm.

Eines Tages hatte ihn ein Auto mit der Reklame für einen Zirkus verfolgt. Aus dem Megafon schallte eine betont muntere Männerstimme. Sie warb für den Auftritt von Elefanten und Löwen aus Afrika, von weit spuckenden Lamas. Kreischte wie ein bremsender Zug, als sie die weltweit witzigsten Kunststücke russischer Clowns anpries. Gleich darauf dehnte sie sich in der Luft wie Kaugummi, träufelte ihm unheilverkündende Worte ein: „Komm schön her, Mateusz, wir werden es dir zeigen!“ Das schwellende Getöse prallte von den Mauern ab, versetzte die alten Bauten in Schwingung, die pulsierten wie die Wände eines gewaltigen Darms. Aus den Fenstern spritzten erste Strahlen von Verdauungssäften. Mein Gott, nur weg von hier!

Doch leichter gesagt als getan. Jemand jonglierte mit der Zeit, und obwohl es noch zwei Wochen waren bis September, hing die Luft voller Altweiberfäden. Sie setzten sich auf die Kleider, hefteten sich ins Gesicht, verwoben sich mit dem Haar. In Kostyń waren die schwebenden Spinnweben eher selten, und wenn sie vorkamen, dann nie im August. Offensichtlich war dies ein besonderer Sommer. Ein Wetterumschwung stand zu erwarten, doch jetzt hatte noch die Hitze Hochkonjunktur. Den Besitzern von Hotels und Pensionen füllte sie die Taschen, den Touristen leerte sie das Konto. Allen dunkelte sie die Haut.

Mateusz versuchte, die klebrigen, ihn umwindenden Spinnweben irgendwie loszuwerden. Da sah er, dass es stinkende Speichelfäden waren. Der Ekel verstärkte noch seine Angst vor der zähen Luft, die sich vor seinen Augen zum glitzernden Netz einer riesenhaften Spinne verwob. Tapfer setzte er sich zur Wehr, doch die unsichtbaren Flechten hoben ihn in die Höhe. Warfen ihn hin und her wie eine Marionette unter Wasser. Er hatte keine Ahnung, dass die Fischer hier vor Ort die fliegenden Spinnfäden Teufelsspeichel nannten.

Seither lebte er neben den Menschen. Durch eine unsichtbare Schicht von ihnen getrennt. Fehl am Platz, ein überflüssiges Puzzleteilchen in einer reibungslos organisierten Gesellschaft. Die anderen Menschen lebten in ihrem Tempo, Mateusz in seinem. Verging für sie eine Stunde, so war es für ihn ein Tag, verging für sie ein Tag, durchlebte er ein ganzes Jahr. Er bemerkte ihre Eile nicht. Sie wiederum sahen eine seltsame Type, der jeder einzelne Schritt unendlich schwerfiel. Und dennoch, hundert Jahre und tausend Schritte später schied ihn der gewundene Darm auf der Promenade wieder aus. Hier gewann er die Herrschaft über seine Beine zurück. Die Brise von der offenen See gab ihm Kraft.

Die Promenade war fast leer. Nur die Verkäufer harrten treu hinter ihren Hotdogbuden, ihren Eis- und Bierständen aus. Eine hübsche Dunkelhaarige mit Plastiksonnenschutz über der Stirn rauchte eine Zigarette, während sie geduldig darauf wartete, dass irgendein junges Gemüse ein Hennatattoo wollte. Maler hielten ein Nickerchen zwischen ihren kitschigen Öllandschaften. Ihre Gemälde zeigten das Meer bei Sonnenuntergang, das Meer bei Sonnenaufgang, das Meer bedeckt von Eisschollen, gebeutelte Segelboote im Sturm, Leuchttürme, Meeresstrände.

Von den Imbissbuden wehte der Duft nach gebratenem Fisch herüber. Ein paar Gäste saßen im Schatten ausladender Sonnenschirme und verschlangen die letzten Bissen ihrer panierten Dorsche, Flundern, Heilbutte. Es war früher Nachmittag, die meisten zog es zum Strand. Umso mehr, als das Wetter ideal war. Die Sonne brannte, und genau das wollten die Sommerfrischler. Der Tag reifte in windstiller Hitze.

Am Strand wimmelte ein Menschengetümmel. Unter dem wolkenlosen Himmel, am Ufersand, plantschten Kinder. Das Wasser warf keine Wellen, und die halbwüchsigen Jungs spielten sich vor den Mädchen auf. Schwammen weit hinaus, bis die Trillerpfeifen muskelbepackter Rettungsschwimmer sie zurückriefen. Die spähten von ihren vier Meter hohen Türmen nach Delinquenten, die irgendwelche Schwimmstile imitierten. Ein Typ war auf seiner Luftmatratze eingeschlafen und aufs offene Meer hinausgetrieben. Zwei Rettungsschwimmer sprangen ins Motorboot.

Getränke- und Eisverkäufer bahnten sich ihren Weg zwischen den Handtüchern hindurch, auf denen Körper sich in der Sonne aalten. Versehentlich zertraten sie Sandburgen, stolperten in Gruben, stießen Zäune aus Zweigen um, zerstörten komplizierte Hindernispfade für Insekten. Vielleicht lenkten die ölglänzenden Brüste ihre Blicke ab. Der fade Duft von Sonnenmilch mischte sich mit dem Dunst schwitzender Körper und herbem Algengeruch. Runde Hintern schlanker Mädchen verwirrten den Kopf. Besonders verlockend wirkten die Pobacken, an denen noch etwas Sand klebte. Die Jungs spannten ihre Muskeln an. Schlenderten in Gruppen durch knöcheltiefes Wasser. Wann immer ein Mädchen vorbeikam, begannen sie zu rufen, zu rempeln und zu raufen, und weil es so viele Mädchen waren, riefen, rempelten und rauften sie ohne Unterlass. Die Männer, die noch an ihre schwindenden Reize glaubten, befanden sich in unablässiger Aktivität. Angestrengt zogen sie die Bäuche ein, wenn eine schöne Frau vorüberging. Auf die speckigen Wale achtete niemand, obwohl sie unerlässlicher Bestandteil dieser Landschaft waren. Ähnlich wie die Kerle, die sich, bierselig rülpsend, auf ihren Matten fläzten. Ihre Wampen warfen Schatten auf den Sand.

Stimmengewirr und Geschrei übertönte lautes Wummern. Aus mächtigen Boxen am Rand eines Spielfelds attackierte ein mechanischer Beat das Gehör, durchsetzt von der überschnappenden Stimme eines Kommentators. Ein Radiosender hatte ein Fußballmatch organisiert, eben fand das Finale statt. Rund um das Spielfeld brüllten sonnenverbrannte Zuschauer. Das wilde Geflimmer von Badehosen, Bikinis, raffinierten Kopfbedeckungen und bunten Handtüchern ermüdete die Augen. Im Sommer mochte Mateusz den Strand nicht.

Zu viele Assoziationen rief die schrille Farbenvielfalt bei ihm hervor, und dann schmerzte ihn der Kopf. Das Einzige, was er wahrnahm, waren die im Sand hingestreckten Körper, die, obwohl sie die gemeinsame Form von zwei Beinen, zwei Armen, Kopf und Rumpf unzählige Male kopierten, doch durch ihre Verschiedenheit erstaunten. Man brauchte nur die vielen Hauttöne zu betrachten, die dichte oder leichte Behaarung, die Gesichter, Stirnen, Nasen, Münder, den Abstand und die Farbe der Augen, ein Bein mit seinem besonderen Oberschenkel, seinem Knie, seiner Wade, seinem Fuß, an dem Zehen mit gepflegten oder von Nagelpilz geriffelten Nägeln saßen; es reichte, die unterschiedlich gewölbten Bäuche und gerundeten Rücken anzusehen, um besser zu verstehen, welchen Sinn für Humor die Natur besaß, der nichts ferner lag als Massenproduktion.

Links war der Fischereihafen, deswegen wandte Mateusz sich nach rechts. Nach etwa zweihundert Metern endete die Promenade in einem schmalen Sandweg. Er verlief am Rand einer Böschung, die sich kilometerlang am Meer erstreckte. Mateusz ließ die Stadt weit hinter sich. Endlich gelangte er an eine Stelle, an der die Einöde des wilden Strandes jedes Menschengewimmel ausgemerzt hatte. Nur ein paar ganz Zähe waren noch geblieben, die keine Einsamkeit fürchteten, ja, sie vielleicht sogar brauchten.

Aus mehreren Metern Höhe betrachtete er den Flecken des Meeres. Weiter als bis zum Horizont konnte man nicht schauen. Mateusz legte sich in den Sand, aus dem die Klingen trockenen Strandgrases stachen. So lag er im Schatten der Buchen, die der starke Wind zum Festland hin gekrümmt hatte. Er schloss die Augen. Kam langsam zur Ruhe. Das leise Rauschen des Meeres zwang dem Atem beinahe unmerklich seinen Rhythmus auf. Dass Mateusz atmete, war so natürlich, als sollte es für ewig sein. Es fühlte sich an, als stiege er tief in seinen Organismus hinab, eine Höhle ohne Boden. Erst durch die Nase zur Speiseröhre mit ihren stetigen Ebben und Fluten, wenn Speichelwellen die glatten Wände des biegsamen Tunnels bespülten. Luft wirbelte in Kammern, die durch ovale Durchgänge verbunden waren und zusammen das weite Land der Lunge bildeten. Vor einem Angriff von außen schützten es die mächtigen Bögen der Rippen.

Gemächlich rollte das Blut durch breite Aderbetten, schoss durch enge Arterientunnel. Schuf ein unterirdisches Reich der Aderdeltas, Blutbuchten, Seenplatten. Kitzelte von innen, beharrlich angetrieben vom pumpenden Herzen.

In ihm wogte dasselbe Meer, das den Strand überspülte, bevor er geboren wurde. Damals hatten die Fotoapparate noch keine Farben aufgenommen. In einem Rahmen aus weißem Sand und Himmel, zwei Streifen, getrennt durch ein Band von schwarzem Wasser, gingen junge deutsche Frauen in leichten, sommerlichen, wadenlangen Leinenkleidern und dünnen Hemden spazieren. Auf ihren Köpfen saßen kleine, mit bescheidenen Schleifen verzierte Hüte. Kinder spielten im Meer, das glatt war wie ein polierter Tisch. Behäbig in der Sonne sitzend, debattierten die Männer über Politik. Am lautesten ereiferte sich Jakob von Hohendorff, der Chef des hiesigen Arbeitsdienstes. Er gestikulierte heftig, sein glattrasierter Schädel glänzte. Die Zuhörer achteten ihn nicht nur wegen seiner Stellung oder der adligen Abstammung, derer er sich rühmte – auch seine schöne Frau und die drei kerngesunden Söhne riefen Anerkennung hervor. Jakob Hohendorffs größter Vorteil waren aber seine Ansichten: Er war glühender Anhänger der aktuellen Regierung. Und wie die meisten Einwohner Kostyńs las er die Zeitungen, in denen die Worte des Führers zitiert wurden, der vor einer jüdischen Verschwörung warnte und die Vision eines Großdeutschland verbreitete. „Vor uns Deutschland, in uns Deutschland und hinter uns Deutschland!“, Hitlerzitate sprangen in fetten Lettern ins Auge. In den Gesprächen am Strand wurde noch immer der Anschluss Österreichs im März rekapituliert. Wer zu Hause Radio hatte, lauschte dem Badenweiler Marsch, der den Reden des Oberhaupts zwingend voranging. Für jeden fand der Führer ein Wort, ganz besonders für die jungen Leute, die ihre Ferien in den Sommerlagern der Hitlerjugend verlebten: „Der deutsche Junge der Zukunft muss schlank und rank sein [Knistern], flink wie Windhunde, zäh wie Leder und hart wie Kruppstahl!“ Aufgelockert wurden die Übertragungen der stundenlangen Kundgebungen und Militärparaden durch klassische Musik aus Österreich und Deutschland – von Bach über Beethoven und Wagner bis hin zu den beiden Straussʼ und Lehár. Die Worte über den nahenden Krieg beunruhigten niemanden. Im Gegenteil, sie sorgten für Hoffnung und Stolz. Manch einen kribbelte es gar im Bauch vor Spannung, wie würde das alles wohl werden? …

Mateusz lag im Sand der Düne, das Gesicht zum Himmel gewandt, und verspürte Glückseligkeit, eine reine Freude über das Dasein. Ganz versunken war er in seinem Körper. Leicht und frei. Keine Geister, keine Hirngespinste. Die Fasslichkeit von Knochen, Fleisch und Blut erleuchtete Mateusz von innen. Wie gut war es doch zu leben!

Von Glück erfüllt drehte er sich auf die Seite und entdeckte bei seinem rechten Ellenbogen einen schwarzen Käfer. Er hockte mitten im rieselnden Sandstrom wie eine Jettperle, die eine Sanduhr verstopft. Genau so wollte es Mateusz. Er wollte, dass der Käfer in der Zeit verweilte, in einem punktuellen, ewigen Jetzt, bezeichnet durch das vollkommene Oval seines Körpers, eine chitinene Markierung auf der Kurve ins Nichts.

Ja! Ich bin hier, und dieser Moment verharrt in Reglosigkeit! Mateusz war sich absolut sicher. Eine Möwe hielt inne, mitten im Flug. Nichts geschieht, nichts, ich bin hier, und nichts geschieht. Das Meer rauscht nur, doch es atmet nicht. So muss die Ewigkeit aussehen, die der schwarze ovale Käferkörper umschließt. Ein Punkt, ausgeschnitten aus dem Spinnweben, das den Wandel der Zeit offenbart. Es gibt keine Vergangenheit, es gibt keine Zukunft, es gibt nur das Jetzt!

Als Mateusz eben glauben wollte, dass er endlich die Zeit angehalten hatte, schnippte der Strand ihm Sand ins Gesicht. Er stand auf, um sich abzuklopfen. Seine Augen tränten. Irgendwann spülten die Tränen die letzten Sandkörner fort. Er schaute vor sich, und da sah er zwischen den Buchenästen Schönheit. Rasch duckte er sich hinter einen Stamm.