Mein Vater, Flüchtling aus Karelien

Translated by Ilse Winkler
Also available in Finnish: Isäni, evakko
 
Vielleicht ist es das Familienerbe. Die Heimatlosigkeit, wenn Menschen vertrieben werden, wirkt sich das auch auf die nächste Generation aus. Wenn man in den 50er Jahren geboren ist, hat man mitbekommen, wie die Kriegsfolgen beseitigt wurden. Wie viel die Eltern schufteten, mit einem wie kleinen Einkommen sie lebten und wie sie alles gerecht teilten. Vielleicht rührt der Gedanke an die Gerechtigkeit daher.
Der Musiker und Schriftsteller Pelle Miljoona in der Zeitung Helsingin Sanomat vom 9. Februar 2015

Zu Weihnachten 2014 gab mir meine Mutter eine VHS-Kassette. Sie und mein Vater feierten im Dezember 1997 gemeinsam ihren 70. Geburtstag. Sie waren mit weniger als einem Monat Abstand voneinander geboren.

Auf dem Video nehmen meine Eltern Glückwünsche entgegen. Mein Vater ist stilvoll ergraut und stattlich. Er wollte dies Fest, weil er fürchtete, die nächsten runden Geburtstage nicht mehr zu erleben. Er hatte recht. Ein Jahr später starb mein Vater Taavi Johannes Pietiäinen (geb. 1927 in Rautu, gest. 1998 in Helsinki) wenige Tage vor seinem 71. Geburtstag.

Dies ist die Geschichte meines Vaters, des Flüchtlings. Ich erzähle, wie sich Heimatlosigkeit in jener einzigartigen Situation auf einen Menschen auswirkt, die in Finnland während des II. Weltkriegs und danach herrschte.

Wenn ich von den Flüchtlingsströmen im II. Weltkrieg lese oder im Fernsehen Bilder heutiger Flüchtlinge sehe, denke ich, dass mein Vater noch gut davongekommen ist. Die Art und Menge des erlittenen Leids darf jedoch die Erfahrungen des Einzelnen nicht verhüllen. Deswegen verdient es jede Geschichte, auch die meines Vaters, erzählt zu werden. Ich denke auch darüber nach, wie sich das Schicksal meines Vaters auf mich ausgewirkt hat.

Aus Karelien nach Uusimaa

Am 7. Dezember 1939, eine Woche nach Beginn des Winterkriegs, wurde mein Vater zwölf. Er war einer der 500 000 Finnen, die mit ihren Familien ihre Heimat Ladoga-Karelien beim Angriff der Sowjetunion verließen.

Meine Großeltern wohnten an der Grenze, in der Gemeinde Rautu, 70 km von der Großstadt Sankt Petersburg entfernt. Rautu war ein typisches Dorf. Den Großeltern gehörte etwas Ackerfläche und ein Stück Wald. Bei den Nachbarn war es ähnlich.

Die Weltgeschichte hatte schon früher in meine Familie hineingespielt. Die Pietiäinens verkauften Ferkel, und ihre besten Handelsgebiete lagen in Sankt Petersburg und Umgebung.

Im Herbst 1917, als die Bolschewiken in Russland an die Macht kamen und Finnland seine Unabhängigkeit erklärte, beeinträchtigte das den Handel. Die Grenze wurde geschlossen, und meine Familie verlor einige ihrer Verdienstmöglichkeiten. Fortan trieben sie Handel nur noch im eigenen Land.

In den 20er Jahren wurden sie langsam und in den 30ern schnell reich, bis der große Krieg ausbrach. Sie verließen Rautu im Dezember 1939 unter chaotischen Umständen. Nur das Nötigste durfte mit. Der Kriegslärm war schon zu hören.

Die aus Karelien Geflohenen nannte man nicht Flüchtlinge, sondern Evakuierte. Sie waren auf der Flucht vor dem Krieg. Für Evakuierte richtete Finnland keine Flüchtlingslager ein, denn darauf war man nicht vorbereitet. Die Evakuierten lebten vor allem auf dem Land in Privathaushalten.

Als im Sommer 1941 der Fortsetzungskrieg begann, kehrte die Familie meines Vaters in die Heimat zurück, so wie die meisten evakuierten Karelier. 1944 wohnten in Karelien 280 000 Finnen. Sie brachten ihre Häuser in Ordnung, bis sie im Sommer 1944, als mein Vater 17 war, wegen des Kriegs und später wegen des Friedensvertrags ihr Zuhause erneut verlassen mussten. Kein Finne wollte in dem Gebiet bleiben, das an die Sowjetunion abgetreten wurde.

Die Aussiedler bekamen oder kauften Land in Finnland. Sie bauten erst die Sauna, dann das Haus und den Stall. Sie kauften Vieh, bebauten die Felder und verrichteten Waldarbeiten. Meinem Großvater gehörten sieben Hektar Feld und dreißig Hektar Wald.

Nur ein kleiner Teil der Karelier zog in die Städte. Der soziale Frieden wurde bewahrt, weil die Flüchtlinge Arbeit und Auskommen auf dem Land fanden. Ein knappes Einkommen war besser als eine knappe Sozialhilfe oder als gar nichts.

Die Geschichte ist unglaublich gut, wenn man das Schicksal und den Leidensweg früherer und heutiger Flüchtlinge bedenkt. Nur wenige bekommen solche Chancen wie die Karelier damals.

Noch unglaublicher wird die Geschichte, wenn man bedenkt, dass Finnland noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein armes Land war. Durch Alphabetisierung, Schulbildung und Erfindungsgeist, aber auch durch schlechte Erfahrungen (wie den Bürgerkrieg 1918) wurde daraus eine Nation, die im Winterkrieg fest zusammenstand.

In der letzten Phase des Fortsetzungskrieges war mein Vater ein paar Monate lang Bote des Offizierskasinos. Als einer der jüngsten Finnen bekam er den Status eines Kriegsveteranen.

Im Krieg begann mein Vater zu rauchen. 55 Jahre lang rauchte er Zigaretten, bis die Lungen nicht mehr mitmachten. Er hatte die Wahl: Das Rauchen brachte ihn um.

Obwohl mein Vater nicht an die Front musste, war er vielfältig vom Krieg beeinträchtigt. In seiner Familie war er ein Nachzügler, zehn Jahre jünger als seine älteren Schwestern, die im Krieg schon erwachsen waren. An tragischen Ereignissen fehlte es nicht. Meine Tante hatte während des Krieges geheiratet, und ihr Mann wurde im Sommer 1944 von seinen eigenen Leuten unter ungeklärten Umständen versehentlich erschossen. Entferntere Verwandte und Bekannte starben an der Front.

Der Sohn seiner Mutter

Mein Vater war sanft. Ein netter Mann, ein guter Gesellschafter, aber gleichzeitig äußerst empfindlich. Seine Entwurzelung kam auf vielen Ebenen zum Vorschein.

Eine Folge der Flucht war die enge Verbindung zu seiner Mutter. Er war ein Mama-Sohn und ihr verwöhnter Liebling. Mein Vater wollte seiner Mutter gefallen und verheimlichte ihr Dinge, sei es das Rauchen oder das Trinken.

Noch am Beginn der 70er Jahre, als mein Vater schon Alkoholiker war, prahlte meine Großmutter mit ihrem feinen Sohn. Er trank angeblich nie.

Tatsächlich trank mein Vater heimlich. Meine Mutter, ich und mein Bruder wussten es, aber wir konnten ihm nicht helfen. Für einen 13-Jährigen ist es ziemlich schlimm, seinen betrunkenen Vater aus der Garage herauszuholen (wir wohnten in einem Wohnblock) oder zu den Nachbarn zu gehen, um ihn zu überreden, nach Hause zu kommen.

Als ich eine Familie gründete und wir Kinder bekamen, beschloss ich, dass Alkohol kein Tabu ist. Wenn ich Wein trinke, trinke ich Wein. Wenn ich Whisky trinke, trinke ich Whisky.

Die Abhängigkeit von der Mutter ging weiter, als mein Großvater 1963 starb und meine Großmutter zu uns zog. In Finnland gibt es das Sprichwort, dass karelische Beerdigungen lustiger sind als Hochzeiten in der Landschaft Häme. Ich weiß noch, wie mein Vater weinen musste, als die Trauergäste bei der Gedenkfeier für meine Großmutter lachten, sich an sie erinnerten und Anekdoten erzählten. Er fand, das war unpassend für eine Gedenkfeier, auf der man den Toten betrauern sollte.

Die Trauergäste meinten es nicht böse. Viele von ihnen hatten sich bloß lange nicht gesehen.

Ein Grund für die Alkoholsucht meines Vaters war meiner Ansicht nach seine Entwurzelung. Manchmal, wenn er schwermütig wurde, sprach er davon. Als Kind waren mir solche Bekenntnisse peinlich.

Das Trinken war nicht der einzige Faktor, aber ein wesentlicher. Ein anderer war zweifellos, dass mein Bruder im Alter von einem Jahr schwer erkrankte und entwicklungsgestört war. Meine Mutter blieb über zehn Jahre lang zu Hause, um ihn zu pflegen. Da trug mein Vater die Verantwortung für das Familieneinkommen allein.

Zum ersten Mal wurde er an dem Tag betrunken am Steuer erwischt, als seine Mutter starb. Die Polizisten hatten Mitleid mit ihm. Beim zweiten Mal wurde er verurteilt und musste im Frühjahr 1976 für einige Monate zur Zwangsarbeit. Als Gefangener baute er am Flughafen Helsinki-Vantaa mit. Ich hatte gerade meinen Führerschein gemacht und fuhr meine Mutter einmal in der Woche hin, um ihn zu besuchen.

Zum schwachen Selbstbewusstsein meines Vaters trug die Tatsache bei, dass er nur vier Jahre lang die Volksschule besucht hatte. Im Arbeitsleben war er ein Selfmademan. Er arbeitete in einer Autofirma, wo er sich zum Chefposten hocharbeitete, ging aber, als er wegen Trunkenheit am Steuer verurteilt wurde. Den Rest seines Arbeitslebens war er Lagerverwalter.

Als Jugendlicher war ich schüchtern und ängstlich. Meine Pubertät war schwer. In der Schule war ich faul. Meine Erfahrungen zu Hause hatten mich hart gemacht. Als Erwachsener wollte ich anders leben. Ich ging zur Uni und studierte Geschichte. Ich wurde der erste Magister, Lizenziat und Doktor in meiner Familie. Es war unerhört, dass meine Arbeit aus Lesen und Schreiben bestand.

Als ich eine Woche vor meinem 30. Geburtstag Doktor der Philosophie wurde, war mein Vater im Krankenhaus und konnte nicht zur Feier kommen. Das ärgerte ihn. Als ich ihn besuchte, meinte er, als Nächstes sollte ich Wirtschaft studieren. Ihm bedeuteten die humanistischen Berufe nichts. Zumindest bedeuteten sie keinen wirtschaftlichen Wohlstand.

Ich weiß noch, wie ich am Abend mit meinen Freunden darüber lachte, wie blöd der Vorschlag meines Vaters war. Gerade hatte sein Sohn in jungen Jahren und mit guter Note promoviert und hatte das Leben vor sich.

Zehn Jahre später lag mein Vater wieder im Krankenhaus. Ich erinnere mich an seine Worte. Ich arbeitete als Verleger, also in der Wirtschaft. Mein Arbeitgeber hatte mich für ein Jahr zur Fortbildung an die Handelsschule in Helsinki geschickt. Mein Vater war zufrieden.

Goldene Jugend

Mein Vater saß zwischen allen Stühlen. Obwohl er wegen meiner Mutter und wegen seiner Arbeit nach Helsinki, in die finnische Hauptstadt, zog, wurde er da jahrzehntelang nicht heimisch. Helsinki war keine Großstadt, aber trotzdem eine Stadt.

Seine Entwurzelung zeigte sich unter anderem darin, dass er – und die Familie natürlich mit ihm – jedes Wochenende nach Karkkila musste, in das Haus, das seine Eltern nach dem Krieg gebaut hatten.

Zum Glück betrug die Strecke von Helsinki dorthin nur 60 km. Wir fuhren jeden Freitag gleich nach der Arbeit los und kamen am Sonntagabend zurück. Auch alle Sommerferien verbrachten wir in der Stille des Landlebens.

Meine unverheiratete Tante war im Sommer auch immer da. Sie und mein Vater saßen am Küchentisch und erinnerten sich an ihre Jugend. Die gleichen, an sich tollen Geschichten wurden oft erzählt. Die verlorene Heimat wurde von Mal zu Mal goldener.

Ich überlegte, wie es anders hätte kommen können. Die Erinnerungen wären nicht dieselben, wenn Karelien nicht verloren gewesen wäre. Die Karelien-Sehnsucht war verständlich, aber ein Historiker wie ich muss die Sache quellenkritisch erforschen.

Die Erinnerungen waren so schön, weil es um die gute Zeit in den 30er Jahren ging, ihre Kindheit und Jugend, als sie sorglos lebten. Die war verloren und wurde als Verlust empfunden. Solche Rückblicke verstärkten die Sehnsucht, die Bedrücktheit und die Entwurzelung meines Vaters eher, als dass sie ihm gutgetan hätten. Die Vergangenheit war ohne Sorgen. Jetzt standen andere Schwierigkeiten an.

Die Sehnsucht meines Vaters trug paradoxe Züge. Wäre er in Rauta erwachsen geworden, wäre er nicht dort geblieben, so wie er nach dem Krieg nicht auf dem neuen Bauernhof geblieben war. Als einziger Sohn hätte er das Land geerbt. „Das war nichts für mich“, sagte er mir. Er wollte kein Kleinbauer sein. Ich war glücklich, dass meine Eltern nach Helsinki zogen, das unser Zuhause wurde.

Ehre den Traditionen

Temperament hatte mein Vater. Darin ähneln wir uns. Wir ärgern uns schnell und beruhigen uns schnell. Danach wundern wir uns, wieso die anderen noch immer wütend auf uns sind, obwohl die Sache vorüber und alles vergeben ist. In Rautu, Vaters Heimat, wurde unser Jähzorn einfach zur Kenntnis genommen. Man sagte sich: Das sind Pietiäinens.

Es war unmöglich, mit meinem Vater zusammen Gesprächsrunden über Wahlen oder andere Politiksendungen zu sehen. Er feuerte seine unumstößlichen Meinungen in einer Art ab, dass es besser war, wegzugehen als sich aufzuregen oder eine Diskussion anzufangen.

Am schlimmsten waren die Gesprächsrunden über Außenpolitik. Mein Vater war verbittert und wütend auf die Russen. Die Russen waren für ihn nicht das Sowjetvolk, sondern Russkis.

Karelien besuchte er nur noch einmal, danach wollte er das nicht mehr. Am Ort seines Hofes fand er eine Fuchsfarm vor. Der Gestank war unbeschreiblich. Der herrliche Weiher aus seiner Erinnerung war vergrast und verdreckt. Karelien wollte mein Vater nicht zurückhaben, obwohl in Finnland ständig davon gesprochen wurde. Er war kein Revanchist. „Sollen sie es doch behalten“, sagte er.

Die Traditionen wurden unter anderem dadurch gepflegt, dass die herkömmlichen Speisen hochgehalten wurden. Karelischen Fleischtopf, Wurzelgemüseauflauf und Kartoffelpiroggen gab es oft, und das Essen wurde immer überschwänglich gelobt.

Wenn uns mein Vater in Helsinki zum Essen ausführte, gingen wir gewöhnlich ins Karelien-Haus, wo sich die Tische unter den traditionellen Speisen bogen. Als junger Erwachsener vertrat ich die Linie des Kolumnisten Seppo Ahti: Gebt uns Karelien zurück, aber behaltet das Essen.

Unsere Eltern gehörten unter kulturellem Aspekt zur Kriegsgeneration und waren viel weiter von uns entfernt als unsere Kinder. Unsere Art zu leben, unser Musikgeschmack, unsere Essgewohnheiten waren ganz anders. Meine Eltern, die keine Fremdsprachen konnten, reisten nicht ins Ausland. Wir durchstreiften Europa per Interrail, seit wir 16 waren.

Manchen Kareliern erging es nach dem Krieg schlecht. Sie wurden als Eindringlinge betrachtet, die den rechtmäßigen Besitzern ihr Land wegnahmen, und als Russen beschimpft. Das war ungerecht. Der Großteil der Karelier gehörte der evangelisch-lutherischen Kirche an, ein kleiner Teil war orthodox, und alle waren Finnen und finnische Staatsbürger.

Meine Großeltern und mein Vater wurden nie so schlecht behandelt. Sie sprachen voller Dankbarkeit von denen, die ihnen geholfen hatten. Mein Vater war äußerst tolerant Zuzüglern und Flüchtlingen gegenüber. Auch diese Haltung ist eine Folge seiner Erfahrungen als Evakuierter.

In Rente

Aufgrund ihrer Erfahrungen mit Krieg und Mangel waren meine Eltern entsetzt, als wir in den 80er Jahren die Kleider unserer Kinder recycelten. Wenn man einen Krieg erlebt hat, ist das ein Zeichen von Armut, nicht von Nachhaltigkeit. Den Kindern musste man etwas Neues kaufen, wo man es sich doch endlich leisten konnte.

Mit 60 ging mein Vater in Rente. Er bekam nicht viel Geld, aber er schien endlich seine Ruhe zu finden und das Leben zu genießen. Er trank weniger.

Ich hatte bei meinem Vater Bedrängnis und Angst gesehen, meine Kinder sahen in ihm den liebevollen Großvater. Er fuhr sie zur Musikschule und zum Sport. Er genoss es, mit den Kindern zu sprechen.

Er lief ohne ein bestimmtes Ziel durch die Stadt und sah sich das Leben an. Von mir wollte er Empfehlungen und fing an, Bücher zu lesen. Er wurde ein ganz begeisterter Leser.

Als bei mir Pubertät und Rebellion endlich vorbei waren und ich erwachsen wurde, lernten mein Vater und ich uns allmählich besser kennen. Hätte er länger gelebt, wären wir gute Freunde geworden, glaube ich.

Einige Jahre nach Vaters Tod fuhr ich nach Rautu (heute Sosnovo). Meine alte Tante und ich fanden nach einigen Fehlversuchen den Ort des alten Hofes. Die Fuchszucht war aufgelassen, aber die leeren Gebäude standen noch da. Der Weiher war fast völlig zugewachsen.

Es war merkwürdig, an einem Ort zu stehen, an dem meine Familie mindestens seit Beginn des 17. Jahrhunderts ununterbrochen gelebt hatte. Weiter reichen die Kirchenbücher und andere Archivalien nicht zurück. In meiner Familie bin ich in direkter Linie der älteste Sohn des ältesten Sohnes und so weiter, bis ins 17. Jahrhundert zurück.

Ich spürte keine Sehnsucht oder Nostalgie. Wieso auch? Hätte es keinen Krieg gegeben, wäre das Leben anders verlaufen. Ich würde nicht existieren, denn mein Vater und meine Mutter hätten sich nie getroffen. Ich habe nicht vor, mich bei Stalin für meine Existenz zu bedanken, im Krieg starben über 65 000 Finnen, aber so ist es nun einmal gelaufen, und da bin ich.

In Rautu dachte ich darüber nach, wie vorbildlich Finnland die Kriegsfolgen gehandhabt hat, obwohl es neben dem Wiederaufbau große Reparationszahlungen an die Sowjetunion leisten musste. Aus dem armen Land wurde eine reiche Nation, eine nordische Wohlstandsgesellschaft, deren Lebensstandard zu den höchsten in der Welt zählt.

Die Wunden, die die Flucht meines Vaters hinterließ, heilte die Zeit langsam. Sie sind noch in meiner Generation sichtbar. Gleichzeitig darf man nicht vergessen, dass uns seine Generation ein leichteres und sichereres Leben ermöglichte.